Die Herrschaft der Mittelmäßigkeit

“No one believes more firmly than Comrade Napoleon that all animals are equal. He would be only too happy to let you make your decisions for yourselves. But sometimes you might make the wrong decisions, comrades, and then where should we be?” (George Orwell, Animal Farm, 1945)

[Werbung, unbezahlt] Steve Jobs‘ Sozialkompetenzen waren nicht unumstritten, aber er hat eine Menge kluger Sachen rausgehauen. Diese hier zum Beispiel: „It doesn’t make sense to hire smart people and tell them what to do; we hire smart people so they can tell us what to do.“ Klingt einleuchtend, oder? Leider hapert es wie so oft an der praktischen Umsetzung, denn pflegeleichter sind natürlich solche Mitarbeiter, die die Entscheidungen der Führungskraft nicht in Frage stellen – wer lässt sich auch gerne die eigenen Unzulänglichkeiten vorhalten?

Ich hege schon lange den leisen Verdacht, dass es deutlich weniger „smart people“ als hiring manager gibt. Und hier wird es schwierig, denn das Mittelmaß ist misstrauisch und lebt in permanenter Angst vor Enttarnung, die sich in Vernebelungstaktiken, Buzzword-Bingo oder Ideenklau äußert. Bei wenig performanten Führungskräften wird es noch hässlicher: Die Arbeit des Teams wird als Eigenleistung verkauft, fähige Mitarbeiter werden kleingehalten, Konkurrenten weggebissen. Das Perfide an diesem System ist, dass die guten Performer dabei immer verlieren, denn sie sind mit ihrer Arbeit beschäftigt, während der Showstar seine Zeit mit Intrigen und Machtspielchen… Verzeihung, soll heißen mit Netzwerken und Selbstmarketing verbringt.

Wer sich aus Kompetenzmangel von Kollegen bedroht fühlt, verfällt also in Defensivmechanismen oder geht zum Angriff über, aber immerhin hat dieser Mensch dann schon eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreflektion bewiesen. Es geht auch schlimmer: Oft zitiert wird der Dunning Kruger Effekt (lesenswertes Paper), mit dem gerne die Donald Trumps und andere evolutionäre Fragwürdigkeiten in Machtpositionen erklärt werden. Bereits 1999 haben David Dunning und Justin Kruger (Cornell University) in ihren Studien nachgewiesen, dass Inkompetenz gerne mit Selbstüberschätzung einhergeht. Das liegt am Fehlen einer grundsätzlichen Reflektionsfähigkeit beim Betroffenen, so dass ihm gar nicht klar werden kann, wie unwissend er tatsächlich ist.

Und jetzt wird es wirklich fatal: Leider ist unsere Gesellschaft nicht dazu in der Lage, echte Kompetenz von selbstbewußtem Auftreten zu unterscheiden, denn durch überzeugend vorgetragenes Eigenmarketing (und nichts anderes sind erfolgreiche Vorstellungsgespräche) entsteht ein positives Bild bei den Entscheidern. Dieses Bild wird in das gesamte Umfeld kaskadiert und lässt sich auch durch eine objektiv schlechte Performance nicht ohne Weiteres wieder relativieren (…und mal ehrlich, wer von uns gibt schon gerne zu, dass er auf einen Blender hereingefallen ist?).

In der Praxis habe ich mich schon oft darüber gewundert, wie lange sich ungeeignete Führungskräfte in ihren Positionen halten. Ihr kennt das vielleicht: irgendwie weiß jeder, dass Manager XY nichts kann, und trotzdem muss erst massiver Schaden im Team oder im Unternehmen entstehen, bis es zu Maßnahmen kommt. Vor dem Hintergrund der Dunning Kruger-Studien wird diese Beobachtung allerdings verständlich, denn wer sollte auch frühzeitig eingreifen? Die Mitarbeiter von XY sind hierarchisch unterlegen und müssen negative Konsequenzen für ihre Karriere fürchten, wenn sie ihren Chef anschwärzen. Die peers sind je nach Unternehmensgröße fachlich vielleicht nicht nah genug dran oder wollen keine Nestbeschmutzer sein. Und der Vorgesetzte erhält nur stark gefilterte Informationen und müsste zudem einen bad hire zugeben, mit dem er selber in eine Rechtfertigungssituation kommt.

(Übrigens ist der Dunning Kruger Effekt auch einer der Hauptgründe dafür, dass Frauen weniger häufig in MINT-Berufen zu finden sind: Abgesehen von der aufgrund biologischer Gegebenheiten reduzierten Grundgesamtheit an verfügbaren Kandidatinnen wird vielen Mädchen von klein auf suggeriert, dass sie schlecht in Naturwissenschaften sind, und diese Erwartungshaltung wird dann zur self-fulfilling prophecy: „Perception of performance, not reality, influenced decisions about future activities.“ )

Also, liebe Personaler da draußen: Es ist euer Job, eure Mitarbeiter vor schlechten Führungskräften zu beschützen, denn das System wird es nicht tun. Gebt Feedback, macht Exit-Interviews und anonyme Mitarbeiterbefragungen (wir arbeiten bei Scout seit zwei Jahren sehr erfolgreich mit Culture Amp, es gibt aber auch viele andere gute Systeme), 360°-Feedbacks oder nutzt sonstige Tools, mit denen ihr die Performance eurer people leader wieder und wieder messbar und transparent macht. Nervt, wenn es sein muss!!! Ist unterm Strich übrigens auch billiger als ständig neue Leute einzustellen.

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